Predigt an Pfingstmontag 2010, St. Cyriakus Bettringen (V. Schrenk)

 

Liebe ökumenische Gemeinde,

in einem Geschäft hier in Gmünd stand ich vor den Feiertagen in der Schlange vor der Kasse. Die Verkäuferin wünschte einem Kunden vor mir abschließend freundlich schöne Pfingsten - wie es in den letzten Tagen vermutlich unzählige Male geschehen ist.
Das Besondere allerdings war die Reaktion des Mannes, der den freundlichen Wunsch nicht etwa gleichermaßen erwiderte, sondern unwillig wurde und sagte:
„Pfingsten – ist da was Besonderes? Das ist ein schlechter Feiertag – nichts zu schenken und nichts“ – und weg war er.

Ein schlechter Feiertag – nichts zu schenken.
Irgendwie hat der Mann ja recht.
Unsere christlichen Feiertage leben davon, dass sich im Lauf der Jahrhunderte einprägsame Bräuche wie das Schenken oder das Ostereierfärben herausgebildet haben. Und diese Bräuche halten sich auch noch, wenn der ursprüngliche Inhalt des Festes in den Hintergrund getreten ist.

Insofern ist das zweitätige Pfingstfest tatsächlich ein schlechtes Fest.
Denn der Geist Gottes, um den es in diesen Tagen ja eigentlich geht,
ist nun einmal unsichtbar. Schlecht zu vermarkten und schlecht zu vermitteln.

Das war von Anfang an so – nicht erst in unserer heutigen Zeit.
In der Schriftlesung aus der Apostelgeschichte haben Sie gehört, wie Paulus einige Jünger traf. Jedenfalls dachte er, dass es sich um Jünger im allgemeinen Sinn von Anhängern Jesu, also um Mitchristen handelte.
Um sie auf die Probe zu stellen und herauszufinden, wes Geistes Kind sie sind, fragte er sie: „Habt ihr den Heiligen Geist empfangen, als ihr gläubig geworden seid?“ Sie antworteten ihm: „Wir haben noch nicht einmal gehört, dass es einen Heiligen Geist gibt.“
Nun weiß Paulus, woran er ist. Denn wo der Heilige Geist nicht ist, da ist auch kein Glaube oder andersherum wo Glaube ist, ist auch Heiliger Geist als die gute Kraft Gottes, die im Leben eines Gläubigen wirkt.
Die einzig wahre Taufe, nämlich die Taufe auf den Namen Jesu und damit auf den dreieinigen Gott als Vater und als Sohn und als Geist wird nachgeholt:
„Paulus legte ihnen die Hände auf, und der Heilige Geist kam auf sie herab.“ (heißt es in der Apostelgeschichte)

Der Geist Gottes ist nicht reserviert für einige wenige Auserwählte, sondern er „kommt herab“, er wird auf alle Christinnen und Christen ausgegossen.
Darum sind wir auch alle in diesem Geist verbunden.
Er wird ausgegossen von Gott ohne unser Zutun. Und doch kommt es beim Ausgießen immer darauf an, dass ein geöffnetes Gefäß da ist, das gefüllt werden kann.
Pfingsten hat daher immer etwas mit öffnen und mit füllen zu tun. Mit der Offenheit des Herzens und der Fülle des Guten, das Gott in uns hineinlegen möchte.

Warum möchte er das?
Die Antwort haben wir im Evangelium des Tages aus Johannes 3 gehört:
„Gott hat die Welt so sehr geliebt, dass er seinen einzigen Sohn hingab, damit jeder, der an ihn glaubt, nicht zugrunde geht, sondern das ewige Leben hat.“(heißt es im Text).

Und wenn dieser Geist der liebenden Hingabe auf Menschen ausgegossen wird,
und wenn er auf offene Herzen trifft, so kann dies nicht ohne Folgen bleiben.
Gottes liebende Hingabe findet ihren Niederschlag im Leben von Christinnen und Christen. Der Geist Gottes, Gottes gute Kraft bringt Menschen in Bewegung.
Er erfüllt uns mit neuer Kraft, mit Motivation und Begeisterung.
So war es jedenfalls damals an jenem ersten Pfingstfest vor rund 2000 Jahren,
als die verschreckte Anhängerschar Jesu endlich wagte, ihren Glauben öffentlich zu leben, als sie über sich hinauswuchsen und die Kraft erhielten von ihrem Glauben zu sprechen und gemeinsam an Gottes Reich, seiner neuen Welt, die im Hier und Heute beginnt, mitzuwirken.

Schön wär’s – werden Sie vielleicht sagen. Aber macht sich nicht oft genug auch in unseren Gemeinden und in unserem Leben Mutlosigkeit und Frustration breit?
Türen werden zugeschlagen, Prozesse erstarren, Chancen werden vertan.
Nichts scheint sich zu bewegen – warum also überhaupt tätig sein?
Warum sich überhaupt engagieren?

So ähnlich mag es den Jüngern damals zunächst auch gegangen sein, bevor Gottes Geist in ihnen große werden konnte.
Eigentlich wollten sie gar nicht nach draußen gehen. Sie wollten nicht auffallen – und vor allem wollten sie keinen Ärger. In ihrem kleinen abgeschlossenen Kreis fühlten sie sich sicher.

Aber: Der Geist Gottes hält sich nicht an menschliche Ängstlichkeit, und er hält sich nicht an menschliche Grenzen.
Nicht an die Grenzen der Sprache.
Nicht an die Grenzen der Länder.
Nicht an die Grenzen der Konfessionen.
Der Geist Gottes beschränkt sich nicht auf die Kirchenräume unserer Gemeinden.
Der Geist Gottes drängt in die Weite.
Hinaus zu anderen Menschen,
hinaus zu allen Menschen,
über alle menschlichen Grenzen hinweg.
Offenheit und Fülle bzw. Vielfalt sind seit Pfingsten Kennzeichen der Christenheit.
Unterschiede in Sprache, Hautfarbe, Herkunft bleiben bestehen. Aber die Zugehörigkeit zu dem auferstandenen Christus und die uneinholbare Weite des Geistes Gottes schließen uns Christinnen und Christen zusammen - sowohl weltweit als auch hier in Bettringen.

Wo Menschen etwas gemeinsam im Namen Jesu Christi auf die Beine stellen, tun sie das nie allein aus eigener Kraft.
Die Zusammenarbeit in unseren Gemeinden, aber auch konfessionell übergreifendes Engagement und soziale Arbeit wie sie z.B. in der Oderstraße 8 geleistet wird, braucht immer auch den weiteren Horizont und die weiter gehende Hoffnung, die über uns selbst hinaus geht.
Sie braucht Vertrauen. Das Vertrauen darauf, dass wir uns auf Gottes Geist, auf Gottes gute Kraft verlassen können, wenn wir Gott im Gebet darum bitten.
Wir brauchen Vertrauen, um uns engagieren zu können – und manchmal sogar ein bisschen Verrücktheit.
Wie in der Geschichte eines erklärten Atheisten:
Der nämlich war bei einer Wanderung an der Kante eines Abgrunds abgerutscht und in die Tiefe gestürzt. Im Fallen bekommt er gerade noch einen Ast zu fassen und bleibt zwischen Himmel und Erde hängen, 300 Meter über dem Boden.
In seiner Verzweiflung beginnt er nach Gott zu rufen.
Keine Antwort.
Er schreit lauter und verspricht zu glauben, falls Gott ihm hilft.
„Das sagen sie alle“, ertönt plötzlich eine Stimme.
„Nein“, sagt der Mann hoffnungsvoll, „ich will wirklich auf dich vertrauen.“
„Dann lass den Ast los“, fordert ihn die Stimme auf.
„Was?“, antwortet der Mann erschreckt, „glaubst du, ich bin verrückt?“

Vertrauen und ein bisschen Verrücktheit gehören zum Glauben.
Vertrauen und ein bisschen Verrücktheit gehören zum Leben in einer lebendigen Hoffnung auf Gottes gute Kraft.
– Wie es Johann Christoph Blumhardt sagte:
„Niemand kann mir verbieten von meinem Gott viel zu hoffen.“
Amen